Wer aufmerksam durch die Wiesen des Kraichgaus rund um Rauenberg streift, kann derzeit ein seltenes Schauspiel erleben: Die Orchideenwiesen stehen in voller Blüte. Zu entdecken gibt es unter anderem die Nestwurz, die Mücken-Händelwurz, das Helmknabenkraut, sowie das imposante Purpurknabenkraut.
Diese Pflanzen gehören zur Familie der Knabenkrautgewächse und sind streng geschützt – nicht nur, weil sie so schön sind, sondern weil sie in ihrer Lebensweise extrem sensibel und anspruchsvoll sind. Umso bemerkenswerter ist es, dass sie in unserer direkten Umgebung noch vorkommen.
Was bedroht unsere Orchideen?
Die größte Gefahr für unsere wilden Orchideen ist der Verlust ihrer Lebensräume – durch Überdüngung, Aufforstung, fehlende Mahd oder die Umwandlung artenreicher Wiesen in Acker- oder Bauland. Auch fehlende Information und ungewollte Eingriffe durch Spaziergänger:innen oder Erholungssuchende können zum Rückgang beitragen.
Ein besonders wichtiger Punkt ist die fachgerechte Mahd solcher Wiesen:
Der richtige Schnittzeitpunkt liegt im Spätsommer, nachdem die Orchideen ihre Samen verbreitet haben. Nur so kann der Fortbestand der Population langfristig gesichert werden. Wichtig ist auch, dass das Mahdgut abgetragen wird – denn Orchideen gedeihen nur auf nährstoffarmen Böden, ebenso wie viele andere konkurrenzschwache und seltene Pflanzenarten. Eine Nährstoffanreicherung durch liegengebliebenes Schnittgut würde auf Dauer genau diese Arten verdrängen.
„Oh, eine schöne Blume“ – bitte stehen lassen!
Leider wissen viele Menschen gar nicht, dass es sich bei den entdeckten Pflanzen um wild wachsende heimische Orchideen handelt – und manche denken fälschlich, man könne sie wie Schnittblumen mitnehmen. Doch alle heimischen Orchideen stehen unter strengem Naturschutz. Sie dürfen weder gepflückt noch ausgegraben oder beschädigt werden.
Ein weiterer Grund: Diese Pflanzen leben in einer sehr speziellen Symbiose mit Bodenpilzen, ohne die sie nicht keimen oder gedeihen können. Eine Umsetzung in den eigenen Garten führt daher in der Regel nicht zum Erfolg – und im schlimmsten Fall zum Absterben der Pflanze.
Orchideen gehören in die Natur – nicht in den Garten
Einheimische Orchideen sind sogenannte Mykorrhiza-Pflanzen. Das heißt: Sie brauchen bestimmte Wurzelpilze im Boden, um zu keimen und zu überleben. Die meisten Gartenböden bieten diese Bedingungen nicht. Auch wenn es im Handel gezüchtete Orchideen aus Laborvermehrung gibt, bleibt ihre Pflege anspruchsvoll und ist für ungeübte Gärtner:innen selten erfolgreich. Der Schutz in ihrer natürlichen Umgebung hat daher oberste Priorität.
Mehr erfahren?
Wer sich tiefer mit heimischen Orchideen beschäftigen möchte, findet hier wertvolle Informationen:
Arbeitskreis Heimischer Orchideen (AHO) Baden-Württemberg: www.orchids.de
Unser Tipp:
Ein Spaziergang durch die Rauenberger Orchideenwiesen im Mai lohnt sich – mit offenen Augen, respektvollem Abstand und der Freude, diese außergewöhnlichen Pflanzen ganz in unserer Nähe bestaunen zu dürfen.